[Löchert die Autoren] Interview mit Anika Beer

Endlich ist es soweit und das Interview mit Anika Beer geht mit einiger Verzögerung online.
Ich finde es ganz toll geworden und bedanke mich noch mal ganz herzlich bei Anika, dass sie sich dazu bereit erklärt hat und die Fragen wirklich ausführlich beantwortet hat.
Ich wünsche euch viel Spaß damit. ;)

  1. Wie würdest du dich selbst
    beschreiben?
    Tja, wie soll ich da anfangen?
    Vielleicht mit: Ich liebe Erdbeeren, weil das so schön zum Sommer
    passt. Überhaupt mag ich gutes Essen, so lange es kein Grießbrei
    ist. Ich mag es, bei jedem Wetter barfuß zu laufen, und der Herbst
    ist meine liebste Jahreszeit. Ich bewege mich gern, vor allem beim
    japanischen Schwertkampf oder beim Schwimmen, aber genauso gern
    hänge ich auch einfach nur faul rum, spiele den ganzen Tag PC- oder
    Konsolenspiele oder lese ein Buch. Ich höre gern Musik beim
    Zugfahren, aber ich finde es furchtbar, wenn der Zug stehenbleibt,
    während die Musik gerade schneller wird. Ich mag Hunde, aber ich
    liebe Katzen. Ich mag es, wenn es ordentlich ist, aber ich komme
    nicht immer mit dem Aufräumen hinterher. Die Natur ist mir sehr
    wichtig, und meine Familie und meine Freunde auch. Außerdem gebe
    ich mir Mühe, jeden Tag etwas Neues zu lernen. Alles in Allem bin
    ich also vermutlich ein ganz normaler Mensch.

 

  1. Wie läuft ein normaler Tag in
    deinem Leben ab? Gibt es bestimmte Rituale usw.? Zu welcher
    Tageszeit schreibst du am liebsten/produktivsten und wo? Und wo
    kannst du gar nicht schreiben?

    Ein normaler
    Tag sieht bei mir wie folgt aus: Ich stehe irgendwann auf, frühstücke
    und setze mich dann an den Rechner. Manchmal mache ich zu diesem
    Zeitpunkt auch schon alibimäßig mein aktuelles Manuskript auf,
    damit ich jederzeit anfangen kann zu arbeiten, falls es mich
    unerwartet überkommt. Meistens überprüfe ich aber erstmal, ob das
    Internet noch da ist, und überhaupt, ob die Welt da draußen
    überhaupt noch existiert, man kann ja nie wissen. Dann muss ich
    vielleicht noch einkaufen, telefonieren oder sonstige Dinge
    erledigen. Und irgendwann fange ich dann auch mit dem Schreiben an.
    ;-)
    Nein, aber mal
    im Ernst. Tatsächlich habe ich keine festen Rituale, Orte oder
    Zeiten zum Schreiben. Ich habe von vielen gehört, dass ihnen das
    hilft, aber bei mir ist es so, ich brauche die Abwechslung, um
    kreativ zu bleiben. Das bedeutet, auch öfter mal innerhalb der
    Wohnung den Arbeitsplatz zu wechseln, mal Musik zu hören und mal
    nicht, und vor allem immer mal eine Weile aus dem Fenster zu starren.
    Darum kann ich auch ganz gut unterwegs schreiben, im Zug zum
    Beispiel. Und eine besondere Spezialität von mir ist es, in einem
    Raum voller redender Menschen alle Geräusche auszublenden und mich
    trotzdem auf meine Geschichte zu konzentrieren. Wenn ich so darüber
    nachdenke, gibt es vermutlich keinen Ort, an dem ich gar nicht
    schreiben könnte. Umgekehrt dafür aber auch keinen, an dem ich
    immer schreiben kann, und auch keine Methode oder ein Ritual, das
    mich zuverlässig in Schreibstimmung versetzen könnte. Das bedaure
    ich manchmal, aber man kann eben nicht alles haben.

 

  1. Wie sieht dein Schreibtisch aus?
    Ordentlich oder chaotisch oder organisiert?

    Da ich, wie
    gesagt, keinen festen Schreibplatz habe, ist die Frage nicht so
    leicht zu beantworten. Tendenziell aber eher kreativ-chaotisch.

 

  1. Wie bearbeitest du mögliche
    Notizen und Ideen?

    Wie so viele
    meiner Kollegen leide auch ich unter der bekannten Autorenkrankheit,
    mir ständig neue, hübsche Notizbücher zulegen zu müssen, ob die
    bereits vorhandenen nun schon voll sind oder nicht. Dementsprechend
    finden die allermeisten Ideen zuerst ihren Weg aus meinem Kopf in
    eins dieser Notizbücher, und das in ziemlich roher, unstrukturierter
    Form, der eher eine Art an mich selbst gerichteter Monolog ist. Da
    ich aber in den Notizbüchern die Ideen nicht nach Projekt geordnet
    aufschreibe, gebe ich mir Mühe, die Notizen möglichst bald
    zusätzlich in ein Projekt-Dokument auf meinem PC zu übertragen.
    Dort liegen sie dann erstmal, bis ich mir die Zeit nehme, mich näher
    mit dem Projekt zu befassen.

 

  1. Wie bist du zum Schreiben
    gekommen? Hast du schon immer davon geträumt Autorin zu werden und
    hast du schon als Kind Geschichten geschrieben? Und wenn ja, ist es
    so, wie du es dir vorgestellt hast?

    Wie ich zum
    Schreiben gekommen bin, weiß ich gar nicht mehr, weil ich damals
    noch sehr jung gewesen sein muss. Meine erste Schreibmaschine habe
    ich jedenfalls zu meinem achten Geburtstag bekommen, und ich weiß
    noch, dass ich mit zwölf die Absicht hatte, die jüngste je
    veröffentlichte Autorin der Welt zu werden. Das hat nun nicht ganz
    geklappt, aber immerhin bin ich am Ende doch in diesem Beruf
    gelandet. Und nein – es ist ganz und gar nicht, wie ich es mir
    vorgestellt habe. Es ist viel bürokratischer, unsicherer und oft
    auch viel frustrierender. Aber das Gefühl, ein eigenes Buch gedruckt
    in der Hand zu halten oder in den großen Buchhandlungen ausliegen zu
    sehen, das ist ganz genau so, wie ich es mir immer erträumt habe,
    und dafür lohnt es sich allemal, die Schattenseiten in Kauf zu
    nehmen.

 

  1. Spiegelst du dich selbst in
    irgendeiner Weise in einem deiner Protagonisten wieder oder gibt es
    Personen in der Realität, die als Vorbild für die Charaktere in
    deinem Buch dienen?

    Jein und nein.
    Ich gestalte meine Figuren nicht bewusst nach reellen Vorbildern,
    weder nach mir selbst noch nach Menschen, die ich kenne. Aber
    natürlich fließt immer etwas aus dem eigenen Erfahrungsschatz in
    die Gestaltung von Charakteren mit ein, die nur deshalb lebendig
    werden können, weil der Autor ein gutes Gespür für
    zwischenmenschliche Beziehungen hat. Und die bekommt man nur, wenn
    man auch im „echten Leben“ ein aufmerksamer und einfühlsamer
    Beobachter ist.

 

  1. Wann und wo bekommst du deine
    Inspiration und wodurch? An Tagen an dem die Ideen eigentlich
    unpassend sind um sie sofort aufs Papier zu bringen oder wenn du
    Zeit hat?

    Diese Frage
    kann ich eindeutig mit „Ja“ beantworten – was so viel heißen
    will wie „sowohl als auch“. Ideen sind ziemlich unberechenbar,
    was das angeht. Inspiration kann ja überall versteckt sein, in jedem
    Lied, jedem Spaziergang durch den Park und in jedem zufällig
    verlinkten Artikel auf Facebook. Man weiß eben vorher nicht, welche
    Reize in unserem Kopf plötzlich Ideen für Geschichten triggern, und
    man muss sie so nehmen, wie es kommt. Grundsätzlich kann ich aber
    sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, von einer Idee überfallen zu
    werden, höher ist, während man gerade intensiv an einem Projekt
    arbeitet. Einfach, weil der Kopf dann ohnehin arbeiten muss, um
    logische Zusammenhänge und spannende Szenarien zu entwickeln. Da ist
    ein gewisser „Sägemehlhaufen“ an neuen kleinen Ideen vermutlich
    unvermeidbar.

 

  1. Was machst du gegen
    Schreibblockaden? Ist das schon einmal vorgekommen?

    Eine richtige
    Blockade? Nein, eigentlich nicht. Unlust oder Erschöpfung, das ja.
    Manchmal fehlt auch einfach der Input von außen. Dann weiß ich, es
    ist mal wieder Zeit, den Schreibplatz zu wechseln oder ein paar Tage
    Pause zu machen und mein Gehirn mit Filmen, Musik und Büchern zu
    füttern, rauszugehen und mit Menschen zu reden und einfach mal den
    Kopf freizukriegen. Nach einer Weile geht es dann auch wieder von
    ganz allein.

 

  1. Fändest du es schön, wenn man
    deine Bücher verfilmen würde oder würdest du das nicht so gerne
    haben?

    Oh, das fände
    ich ganz unbedingt sehr schön! Ich weiß, dass es ganz viele
    schlechte Verfilmungen gibt, die sich so gut wie gar nicht mehr an
    die Vorlage halten. Aber das finde ich halb so schlimm. Was mich an
    dem Gedanken reizt, ist die Neugier darauf, wie sich wohl andere
    vorstellen, was ich erzählt habe. Haben sie ähnliche Bilder im Kopf
    wie ich? Einen Blick darauf zu werfen, wie andere meine Geschichten
    wahrnehmen und interpretieren, das finde ich wahnsinnig spannend. Das
    gilt übrigens nicht nur für Verfilmungen, sondern auch für Bilder
    oder FanFictions. Ich hoffe immer noch, dass jemand eines Tages mal
    sowas für mich macht.

 

  1. Mit welchen neuen Buchprojekten
    können wir denn in nächster Zeit rechnen?

    Mit so einigen!
    Zuerst einmal steht im nächsten Herbst noch ein weiterer Jugendroman
    bei cbj an. Außerdem werde ich mich im Frühjahr 2015 an einem
    Kinderbuch ab 10 versuchen. Und nicht zuletzt möchte ich auch
    unglaublich gern wieder einmal einen Roman für Erwachsene schreiben.
    Das habe ich seit meinen dystopischen Vampirromanen „Die Blutgabe“
    und „Unberührbar“ nicht mehr gemacht, und ich hoffe sehr, dass
    das bald wieder klappt. Ideen habe ich jedenfalls genug.

 

  1. Liest du mehr selber oder
    schreibst du doch lieber? Und welche Bücher liest du gerne,
    (bestimmte Autoren oder Genres)? Hast du Vorbilder unter den
    Autoren?

    Es klingt
    vielleicht merkwürdig, aber für mich sind Lesen und Schreiben zwei
    sehr unterschiedliche Dinge. Lesen ist etwas, das ich zur Entspannung
    tue, während Schreiben vieles für mich ist, aber ganz bestimmt
    nicht entspannend. Das wäre, als würde man einen Ausflug in den
    Kletterwald mit einem Picknick im Park vergleichen. Beides ist
    wunderbar und macht eine Menge Spaß, aber es sind zwei völlig
    verschiedene Dinge, obwohl beides Freizeit im Grünen ist.
    Was meine
    Lieblingsautoren oder –genres betrifft, bin ich wirklich nicht
    festgelegt. Mir ist wichtig, dass mir die Sprache gefällt, dass ich
    die Figuren mag, und dass mir eine interessante Geschichte erzählt
    wird. Autoren, die das meiner Ansicht nach besonders gut können,
    sind z.B. Jeffrey Eugenides, Suzanne Collins, Carlos Ruiz Zafon oder
    Tanja Heitmann. Echte Vorbilder habe ich allerdings keine. Ich habe
    meine eigene Erzählstimme, und auf die bin ich stolz.

 

  1. Arbeitest du an mehreren Büchern
    gleichzeitig, oder konzentrierst du dich auf eines? Kannst du dabei
    zwischen deinem Pesudonym-Schreiben und dem eigenen Namen locker
    hin- und herschalten, oder musst du das trennen?

    Grundsätzlich
    arbeite ich immer nur an einem Roman gleichzeitig. Es kommt aber
    durchaus vor, dass ich während des Schreibens an einem Projekt schon
    das nächste plane. Und manchmal kommt es zu längeren Pausen, wenn
    z.B. die erste Hälfte des Manuskripts bei der Lektorin liegt und auf
    Anmerkungen wartet. Dann kann es durchaus sein, dass ich schon mal in
    einen neuen Text reinschnuppere, um zu sehen, wie er sich anfühlt.

 

  1. Gibt es etwas (einen Ort, eine
    Figur, ein Ereignis, eine Zeit ö.ä.) über das du unbedingt einmal
    schreiben willst, bisher habe nicht getan/ nicht die Möglichkeit
    gehabt haben?

    Tatsächlich
    gibt es eine Figur in meinem Kopf, über die ich sehr gern einmal
    schreiben würde. Ein total toller Typ, der allerdings fiktiv ist –
    ein Schwertkämpfer aus einem einst durch Kreuzung mit Dämonen
    gezüchteten Kriegervolk. Sein Volk war Jahrhunderte in einer
    Zeitfalte gefangen und vergessen, bis sie durch einen Zufall befreit
    wurden. Jetzt will sein Volk mit seinen Schwertern und seinen
    antiquierten Vorstellungen die Welt mittels Krieg zu einem besseren
    Ort machen, aber das geht natürlich völlig in die Hose. In der
    eigentlichen Geschichte geht es aber vor allem darum, was nach diesem
    gescheiterten Krieg passiert, und wie so ein Volk, dessen einziger
    Daseinszweck der Krieg ist, sich in eine friedliche Gesellschaft
    einfügen soll. Und um eine hochdramatische Liebesgeschichte,
    natürlich. Aber ich fürchte, diese Geschichte ist zu speziell, um
    einen Verlag zu finden …
    Alternativ
    schreibe ich aber auch gern einen historischen Roman über eine
    weibliche Samurai. Wenn ich bloß mal nach Japan käme, um vor Ort zu
    recherchieren …

 

  1. Wie hat sich dein Leben seit der
    ersten Veröffentlichung verändert?

    Vor allem in
    sofern, als dass Schreiben nun nicht mehr mein Hobby ist, sondern
    Arbeit. Es ist schon ein anderes Gefühl, wenn man Schreiben immer
    als Freizeit wahrgenommen hat. Freizeit und Arbeit werden plötzlich
    sehr schwer zu trennen, und das kann wirklich zum Problem werden,
    wenn man dann plötzlich diszipliniert seine Abgabetermine einhalten
    soll. Aber man gewöhnt sich daran. ;-)

 

  1. Hörst du beim Schreiben Musik
    oder kannst du dich dabei nie konzentrieren?

    Mal so, mal so.
    Ich habe ja schon erklärt, dass ich auf solche Fragen keine
    eindeutigen Antworten geben kann. Wenn ich richtig im Schreibfluss
    drin bin, ist es aber sowieso egal, weil meine Ohren sich dann
    abschalten und ich gar nichts mehr von dem höre, was um mich herum
    so passiert …

 

  1. Was ist beim Schreiben zuerst da,
    die Geschichte oder die Charaktere?

    Hm, ich glaube,
    das kann man gar nicht so trennen. Wenn der Charakter auftaucht,
    bringt er seine Geschichte ja gleich mit, denn ohne Geschichte wäre
    er keine richtige Figur. Klar, viele Aspekte der Geschichte werden
    erst nach und nach oder im Zusammenspiel mit anderen Charakteren
    richtig klar, aber grundsätzlich ist noch keine Figur ganz ohne
    Geschichte bei mir aufgetaucht.
    Was aber
    durchaus vorkommt ist, dass ich ein Setting im Kopf habe, über das
    ich gern schreiben möchte. Bei meinen Vampirromanen war es
    beispielsweise so, dass ich das dystopische, von Vampiren beherrschte
    Szenario mit den Menschenzuchtfarmen und der mutierten neuen
    Vampirrasse schon ziemlich komplett hatte, ehe ich wusste, was für
    eine Geschichte ich vor diesem Hintergrund erzählen will, und mit
    welchen Charakteren ich arbeiten werde.

Vielen lieben Dank Anika!

4 Replies to “[Löchert die Autoren] Interview mit Anika Beer”

  1. Ein tolles Interview mit sehr sympathischen Antworten! Ich muss zugeben dass ich Interviews seltenst (komplett) lese, meist interessieren sie mich nicht genug… Auch wenn man sowas kaum zugeben darf *lach* Bei dem hier war ich bei der ersten Antwort gleich gefangen und bin jetzt außerdem neugierig auf die Bücher :)

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